Donnerstag, 28.03.2024 11:52 Uhr

Palästina-Nakba-Tag 2023

Verantwortlicher Autor: Sergej Perelman Stuttgart, 18.05.2023, 20:48 Uhr
Nachricht/Bericht: +++ Politik +++ Bericht 9376x gelesen
Menschenmenge vor der Bühne der Palästina-Nakba-Tag 2023 Veranstaltung, Schlossplatz in Stuttgart, 13.05.2023
Menschenmenge vor der Bühne der Palästina-Nakba-Tag 2023 Veranstaltung, Schlossplatz in Stuttgart, 13.05.2023  Bild: Sergej Perelman

Stuttgart [ENA] Am 13.05.2023 fand in Stuttgart der Palästina-Nakba-Tag statt, ausgerichtet vom 'Palästinakomitee Stuttgart'. Die Veranstalter gedachten damit der seit 75 Jahren andauernden "illegalen Kolonialisierung des palästinensichen Territoriums, Apartheid und ethnischen Säuberung" Palästinas durch Israelis.

Zum 8. Mal veranstaltete das 'Palästinakomitee Stuttgart' (PAKOS) diesmal auf dem Stuttgarter Schlossplatz den 'Palästina-Nakba-Tag'. Fluktuierend waren ca. 100-300 Teilnehmer anwesend. Die Eröffnugsrede hielt die Schirmfrau der Veranstaltung Professor em. Dr. Fanny-Michaela Reisin, Mitbegründerin der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden und ehemalige Präsidentin der Internationalen Liga für Menschenrechte. Neben dem Bühnenprogramm aus Redebeiträgen, Musik und Tanz, war auch ein Zelt mit der Ausstellung „Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948“ aufgebaut. Außerdem stellte der Verein Flüchtlingskinder im Libanon e.V. seine Arbeit vor und warb um Unterstützung.

Tanzauftritt einer Gruppe aus Brüssel, Stuttgart, 13.05.2023
Interessierte vor dem Zelt mit der Ausstellung 'Nakba', Stuttgart, 13.05.2023
Innenansicht des Zeltes mit der Ausstellung 'Nakba', Stuttgart, 13.05.2023

Eröffnugsrede von Professorin em. Dr. Fanny-Michaela Reisin

Die ursprünglich aus Jerusalem stammende und in Berlin lebende Schirmfrau Fanny-Michaela Reisin ist Mitbegründerin der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden und war 12 Jahre lang Präsidentin der Internationalen Liga für Menschenrechte, die sich dem Wirken von Carl von Ossietzky verpflichtet fühlt. Fanny-Michaela Reisin erinnerte in ihrer Eröffnung auch an die erste Schirmfrau des Palästina-Nakba-Tags des Palästinakomitees, an Felicia Langer. Felicia Langer, die 88-jährig im Jahr 2018 in Tübingen starb, musste oft um ihr Leben fürchten, wie Fanny-Michaela Reisin hervorhob. In ihrer polnischen Heimat bedrohten die Nazi-Schergen das Leben der Jüdin sowie das ihres Mannes Mieciu Langer, dessen Erinnerungen Felicia Langer veröffentlich hat.

Infoständer zum Verein Jüdische Stimme für gerechten Frieden, Stuttgart, 13.05.2023
Plakat zum Thema Apartheid gegen Palästinenser, Stuttgart, 13.05.2023
Plakate unterhalb der Bühne, Stuttgart, 13.05.2023

Die Nakba-Veranstaltung des PAKOS gehöre nach Einschätzung von Frau Reisin zur Tradition der Stadt Stuttgart; "immer im Mai, um den Tag der Ausrufung des Staats Israel 1948 herum, der für die nichtjüdischen Einheimischen Palästinas... zum Symbol der Nakba geworden ist. Nakba - die große Katastrophe", fuhr die Schirmherrin in ihrer Rede fort. Die Nakba habe sich in die Herzen von Millionen Menschen eingeschrieben als ein "Unrecht an einem ganzen Volk, das sich nichts, gar nichts zuschulden kommen hat lassen und trotzdem seit nunmehr einem dreiviertel Jahrhundert - um seine Selbstbestimmung gebracht - tagtäglich um seine Rechte und seine Existenz zu kämpfen gezwungen ist", hob die Schirmherrin mit Nachdruck hervor.

"In Palästina in 58 Flüchtlingslagern und ja im Exil: in Deutschland, in anderen EU-Staaten, in den Staaten des ehemaligen British Empires und ja auf der ganzen Erde verstreut - so stehen wir heute hier zusammen als Teil der internationalen Palästina Solidarität und werden keine Ruhe geben, bis Selbstbestimmung, Freiheit und Gleichheit jeder und jedem Einheimischen Palästinas Wirklichkeit geworden ist", unterstreicht Dr. Reisin. Für PAKOS sei dieser Tag ein Tag des Gedenkens, "aber zugleich auch ein Tag der Zuversicht, denn der Kampf des palästinensischen Volkes um Selbstbestimmung hat nie aufgehört".

Stand des Palästinensischen Kommitees Stuttgart im Hintergrund, Stuttgart, 13.05.2023
Plakat zum Thema Siedlergewalt gegen Palästinenser, Stuttgart, 13.05.2023
Plakat zum Thema Apartheid gegen Palästinenser, Stuttgart, 13.05.2023

Ein gerechter Frieden und ein Leben in einem Staat, der vielen Nationalitäten, der vielen Religionsgemeinschaften und Ethnien, werde auf dem Territorium Palästinas Wirklichkeit werden, proklamierte betont Dr. Fanny-Michaela Reisin. "Es ist keine leere Utopie! Die feste Überzeugung, dass er Wirklichkeit werden wird, lebt in dem palästinensischen Herzen fort und hat nie aufgehört zu leuchten. Ein Staat, der allen Menschen seines Hoheitsgebietes die universellen Grund- und Menschenrechte garantiert und uneingeschränkt gewährt, wird Wirklichkeit sein! Es gibt keine Alternative dazu." Reisin schloss ihre Rede mit dem programmatischen Ruf "Ende der israelischen Apartheid! Ende der israelischen Okkupation! Free, free Palestine!"

Webpräsenz von PAKOS und Jüdische Stimme für gerechten Frieden: https://palaestinakomitee-stuttgart.de, https://www.facebook.com/PaKo.Stuttgart/, https://www.juedische-stimme.de/

Eine Zukunft für die Kinder Palästinas im Libanon

Die Staatsgründung Israels im Mai 1948 und der daraus folgende Krieg zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn bedeutete für Hunderttausende Palästinenser Flucht und Vertreibung aus ihrer Heimat. Diese traumatische Erfahrung nennen die Palästinenser 'Nakba' (arab. Katasrophe). 100.000 Palästinenser flohen damals in den Libanon. Heute zählt die United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) mehr als 450.000 Flüchtlinge. Die Hälfte der Palästinenser lebt in den von der UNRWA betreuten Flüchtlingslagern. Arbeitsbeschränkungen, fehlende Bildungsmöglichkeiten und wachsende Armut, Perspektivlosigkeit und Ausgrenzung prägen ihr jahrzehntelanges Flüchtlingsschicksal mehr denn je.

So dürfen sie außerhalb der Lager nur wenige Berufe ohne Arbeitserlaubnis ausüben. und keine Immobilien erwerben.Der wirtschaftlich schwache und politisch instabile Libanon kann und will die Flüchtlinge auf absehbare Zeit nicht integrieren. Auch alle Friedensinitiativen vernachlässigen bisher die Flüchtlingsfrage. Vergessen von der Welt und den eigenen politischen Führern wachsen deshalb in den Flüchtlingslagern Resignation und Verzweiflung. Frieden im Nahen Osten wird aber nur möglich sein, wenn Menschen- und Völkerrecht auch für die palästinensischen Flüchtlinge Geltung bekommen.

Vor diesem Hintergrund fördert der Verein Flüchtlingskinder im Libanon e.V. in Zusammenarbeit mit seiner Partnerorganisation The National Institution of Social Care and Vocational Training (NISCVT) seit 1996 soziale, medizinische, Bildungs- und Patenschaftsprojekte. Neben der Unterstützung der Bedürftigsten möchte der Verein den sozialen Zusammenhalt der Menschen in den palästinensischen Flüchtlingslagern stärken und einen Beitrag zum Frieden im Nahen Osten leisten. Da alle Vereins-mitglieder ehrenamtlich arbeiten, fließen 100% der Spendeneinnahmen in Projekte. Darüber hinaus informiert der Verein durch intensive Öffentlichkeitsarbeit über die Situation der palästinensischen Flüchtlinge im Libanon und die Hintergründe des Nahostkonflikts.

Detaillierte Informationen zum Verein Flüchtlingskinder im Libanon e.V. und seinen Projekten: www.lib-hilfe.de

Kommentar des Autors

Die von den Veranstaltern eingeforderten und erhofften Frieden und Freiheit für Palästina werden nur möglich werden, wenn die beteiligten Konfliktparteien zur Einsicht und zur Überzeugung gelangen, dass einzig die Überwindung von Hass, Vergeltungs- und Rachereflexen, folglich nur der Weg der Gewaltlosigkeit und der gewaltfreien Kommunikation den Frieden herstellen können, denn es kann keinen anderen Weg zum Frieden geben als den Frieden selber. Am beeindruckendsten demonstrierte diese Haltung der palästinensisch-kanadische Professor, Arzt und Friedensaktivist Izzeldin Abuelaish. Beim israelischen Einmarsch in Gaza 2009 wurden drei seiner Töchter getötet. Ihrem Andenken widmete er seine Autobiografie 'Ich werde nicht hassen' (2011).

In einem Interview mit 'Merkur.de' vom 25.12.2022 äußerte sich Abuelaish u.a. wie folgt: "Ich habe mein Leben, ich habe das Leben meiner Kinder und ich will nicht, von Hass geplagt, ertrinken. Meine Tochter hat mich das einst im Alter von 14 Jahren gelehrt: Hass oder Gewalt darf nicht mit Hass begegnet werden. Wenn jeder von uns auf diese negative Weise reagiert, bedeutet das, dass wir verloren sind. Es ist mir gelungen, mein Leben in etwas Positives zu verwandeln und in Bewegung zu bleiben, indem ich meine getöteten Töchter lebendig halte und diese Botschaft des Friedens in der Welt verbreite".(1) Das ist die Umsetzung der Bergpredigt Jesu, wonach man sich als Mensch nur dann bewahren kann, wenn man dem Bösen nicht mit Bösem widersteht.

Auch auf israelischer Seite finden sich Beispiele für diese Weisheit der gelebten Menschlichkeit im Geiste der Bergpredigt. In einem Lied, das auf Facebook zum Tag der Staatsgründung Israels verbreitet wurde (https://fb.watch/kC68wMQjuR/), heißt es in der russischen Übersetzung des hebräischen Textes: "Wir, du und ich, haben noch eine Chance: Im Hier und Jetzt die Liebe zu leben zwischen dir und mir. Das ist das Volk Israel und das ist die Zeit der Entscheidung, das Gute zu wählen und dem Bösen eine Absage zu erteilen. Wenn Krieg mich bedroht, dann werde ich im Vertrauen mich bergen. Ich werde sehr sehr fest verankert sein."(2)

"Das alles [der Hass, die Gewalt, die Not] wird nie enden", heißt es weiter in demselben Lied, "wenn die Angst uns beherrscht. Weder Schläge noch Tränen werden dann helfen. Aber es gibt noch eine Chance und Hoffnung: Wenn alle Verfehlungen von Liebe umfangen werden. Nur wenn wir uns mit einer Bitte an IHN wenden und nicht an der Verzweiflung zerbrechen. Und wir zeigen der Welt, dass wir gemeinsam EIN Volk sind. Und dann werden du und ich uns umarmen am Ufer des Meeres und die Wellen der Liebe werden alle reinwaschen." Es gibt keine stärkere Macht als die Sanftmut, die Liebe, das Vertrauen und das Verstehen in Güte, gegründet in der absolut liebenden Person des ewigen Gottes, der den Hintergrund von Allem bildet und jeden als Person bejaht.

(1) https://www.merkur.de/politik/weihnachten-versoehnung-nahost-gaza-palaestina-israel-arzt-toechter-izzeldin-abuelaish-news-zr-91994559.html (2) Daten zum hebräischen Lied: Musik von Arkady Duhin, Text von Amit Shalev mit Zitaten aus den Psalmen König Davids. Aufgeführt von Arkady Duhin und Mor Kashi.

Für den Artikel ist der Verfasser verantwortlich, dem auch das Urheberrecht obliegt. Redaktionelle Inhalte von European-News-Agency können auf anderen Webseiten zitiert werden, wenn das Zitat maximal 5% des Gesamt-Textes ausmacht, als solches gekennzeichnet ist und die Quelle benannt (verlinkt) wird.
Zurück zur Übersicht
Photos und Events Photos und Events Photos und Events
Info.